Die Vulvodynie Health Gap: Wenn das Gesundheitssystem versagt
„“Als ich anfing, offen über meine Vulvodynie zu sprechen, blieb es nicht bei vereinzelten Reaktionen. Die Nachrichten von anderen Frauen überschlugen sich: „Mir geht’s genauso. Ich dachte, ich bilde mir das ein. Ich habe seit Jahren Schmerzen, aber niemand nimmt mich ernst.““
Was mich traf, war nicht nur die Menge sondern die Gemeinsamkeit. Es waren keine seltenen Einzelfälle. Es war ein Muster. Ein strukturelles Versagen.
Und mir wurde klar: Ich bin nicht das Problem. Das System ist es.
Warum ist das so wichtig?
Bevor ich an Vulvodynie erkrankte, hatte ich keinen echten Kontakt zu meiner Vulva. Ich wusste nicht, wie sie aussieht, wie sie funktioniert, was sie braucht. Ich bin in den 80ern und 90ern groß geworden und wir hatten keine echte Aufklärung über den weiblichen Körper.
Stattdessen gab es Dr. Sommer in der Bravo mit ein paar oberflächlichen Antworten auf peinlich formulierte Fragen. Die ganze Atmosphäre war schambesetzt, verklemmt, unausgesprochen unangenehm. Und auch die Sprache hat das verstärkt: „Mumu“, „Schamlippen“, „da unten“. Begriffe, die entweder verniedlichen oder beschämen. Neutralität? Fehlanzeige.
Das ist kein Zufall, sondern das Resultat einer patriarchalen Gesellschaftsstruktur, in der weibliche Sexualität über Jahrhunderte hinweg entweder kontrolliert, tabuisiert oder komplett ausgelöscht wurde. Der weibliche Körper wurde auf seine Funktion für andere reduziert: zur Fortpflanzung, zur Lustbefriedigung des Mannes, zur moralischen Projektionsfläche. Wissen über den eigenen Körper war nicht vorgesehen, denn Wissen ist Macht. Wer seinen Körper kennt, kann Grenzen setzen, Entscheidungen treffen und für sich einstehen. Kann sich heilen.
Diese Ignoranz ist kein individuelles Versäumnis. Sie ist strukturell. Sie zieht sich durch Bildungspläne, durch medizinische Forschung, durch Sprache, durch Medien. Und sie sorgt bis heute dafür, dass viele Frauen erst dann wirklich mit ihrer Vulva in Kontakt kommen, wenn sie Schmerzen haben. So wie ich.
Vulvodynie Gap: Das systemische Versagen, was wie Selbstzweifel aussieht
Was habe ich aber gemacht? Ich habe daraus lange ein Ich-Problem gemacht. Logisch, denn in einer vom Patriarchat geprägten Welt, in der alles auf individuelle Leistung und Eigenverantwortung ausgerichtet ist, landet man schnell bei dem Gefühl: Mit mir stimmt etwas nicht.
Wenn ich keine Hilfe finde, dann liegt es daran, dass ich nicht richtig suche. Dass ich Medikamente nicht korrekt nehme. Dass ich mich nicht genug bemühe um meine Gesundheit und Heilung.
Diese Botschaft wird nicht immer laut ausgesprochen, aber sie schwingt überall mit. Sie wird subtil transportiert. Auch in Arztpraxen.
Wie ich dennoch Hilfe gefunden habe und wie auch du Unterstützung erhalten kannst, erkläre ich in diesem Artikel näher.
Ich sage: Bullshit.
Genau hier lässt uns das System im Stich. Wir leiden nicht an mystischen, unerklärlichen Krankheiten, für die es keine Abhilfe gibt. Ich spreche ja nicht mal von Heilung – nur von Schmerzlinderung. Und selbst die wird uns in vielen Fällen verweigert.
Statistiken zum Gender Pain Gap
An genau dieser Stelle spürt man ihn deutlich: den Gender Health Gap.
Studien zeigen: Frauen müssen im Schnitt länger auf Schmerzmittel warten als Männer. Beschwerden wie Endometriose oder Vulvodynie werden oft als „psychosomatisch“ abgetan.#
Chronische Schmerzen betreffen zu etwa 70 % Frauen – doch gleichzeitig stammen 80 % der Schmerzstudien von männlichen Testpersonen.(1,2,3)
Forschung an Frauenkörpern ist unterfinanziert, unterrepräsentiert – oder schlicht nicht existent (4).
Es gibt Viagra für Männer und ich wette, wenn Männer so starke Schmerzen am Penis hätten, dass sie nicht mehr leben wollen, gäbe es längst eine gezielte, flächendeckende Behandlung dafür.
Es fehlt nicht an Lösungen! Es fehlt an Interesse
Es fehlt an Wissen, Geld und vor allem fehlt es am politischen und medizinischen Willen, sich mit weiblichem Schmerz ernsthaft zu beschäftigen.
Das ist kein „Zufall“! Es ist ein struktureller Missstand und unsere Lebensqualität wird hier systematisch mit Füßen getreten, weil wir Frauen sind.
Deine Erfahrung?
Hast du schon einmal gedacht, du bist selbst schuld, weil keine Behandlung geholfen hat?
Fühlst du dich in medizinischen Situationen ernst genommen oder eher als Problemfall abgestempelt?
Teile deine Gedanken gerne dazu in den Kommentaren. Ich freue mich auf den Austausch!
Quellen:
https://medicalhumanities.rice.edu/gender-and-racial-disparities-pain-treatment
2: Ärzt:innen stufen Frauen mit Schmerzen häufiger als „psychosomatisch“ ein – sie gelten als emotional, hysterisch oder nur dramatisch
3:https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2024/dec/22/ouch-solving-the-riddle-of-pain
4:https://www.health.harvard.edu/blog/women-and-pain-disparities-in-experience-and-treatment-2017100912562
Hinweis: Dieser Beitrag basiert auf meiner persönlichen Erfahrung. Ich bin keine Ärztin und gebe keine medizinischen Empfehlungen. Die Inhalte ersetzen keine fachärztliche Beratung oder Behandlung.